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Patchwork-Familien: „Du Hast Mir Gar Nichts Zu Sagen“

Patchwork-Familien: „Du hast mir gar nichts zu sagen“

Wenn sich Papa oder Mama nach ihrer Trennung in neue Partner verlieben, ist der Nervenkrieg oft vorprogrammiert. Patchwork (engl. patch für Flicken) ist die Herausforderung, aus zwei Familien wieder eine zu machen. Doch was sich zunächst leicht anhört, stellt sich oftmals als sehr schwierig heraus.

Großmanöver Weihnachten

Feiertagsplanung wie Ostern oder Weihnachten wird für solche Familien zu einem Großmanöver logistischer Vorbereitungen. Dabei geht es nicht darum, was am Heilig Abend auf den Tisch kommt. Vielmehr muss geplant werden, welches Kind wo mit wem wann die Feiertage verbringen wird, will und muss.

Eine Klientin erzählte mir, wie so etwas bei ihr aussieht: „Am Weihnachtsabend feiern meine beiden Kinder zusammen mit ihrem Vater Michael (die Namen sind frei erfunden) und Claudia, Michaels neuer Lebensgefährtin und die Mutter des jüngsten Geschwister. Am nächsten Tag setzt Michael unsere beiden Kinder bei mir ab.“

Michael besucht dann mit Claudia und der Kleinen seine Eltern. Die hätten gerne alle drei Enkel gesehen, aber das war terminlich nicht umsetzbar. Denn am nächsten Tag fahren meine Klientin und ihre Kinder zu ihren Eltern, die weiter weg wohnen.

Kompliziert wird es, weil Joachim, der neue Freund meiner Klientin, zusammen mit seiner pubertierenden Tochter Lara aus erster Ehe ebenfalls mit auf Reisen geht. Schließlich will er seine neue Lebensgefährtin an den Feiertagen auch mal sehen. Und Lara konkurriert natürlich mit meiner Klientin um die Aufmerksamkeit von Joachim.

Kinder als Saboteure der neuen Liebe

In diesem Karussell sitzen viele. Denn Tatsache ist, dass Patchwork-Familien zur gesellschaftlichen Normalität werden. Jeder von uns kennt sie aus seinem Bekanntenkreis. Und alles, was normal ist, muss auch funktionieren. Oder sollte zumindest funktionieren. So bekommen es die Beteiligten suggeriert. Doch die Wahrheit ist oftmals eine andere.

Trotz moderner Welt, in der wir leben, ist der Mensch in vielerlei Hinsicht ein eher einfaches Wesen. Es fällt ihm schwer, sich mit neuen gesellschaftlichen Formen anzufreunden. Auch wenn diese Konstellationen als cool befunden werden. Wenn Kinder also die neue Liebe sabotieren, haben sie schlicht und einfach „keinen Bock“ darauf.

Wir sollten uns klar machen, dass mit jeder Patchwork-Familie neue Verstrickungen aus Bluts-, Wahl- und unfreiwilligen Verwandten entstehen. Für alle Beteiligten heißt das: Sie müssen miteinander auskommen, weil zwei Menschen eine neue Beziehung eingehen.

Patchwork-Familien: „Du hast mir gar nichts zu sagen!“

„Ich habe mir das so schön vorgestellt“, erzählt mir meine Klientin. Lange im Voraus und Stück für Stück hat sie ihre Kinder auf den neuen Lebenspartner eingestimmt. Es schien ihr, als würden sich alle über ihr neues Liebesglück freuen. Bis zu dem Tag, an dem sie bunt gewürfelt am Esstisch saßen.

Anstatt jeder gut gelaunt von seinem Tag berichtete, kam es zur ersten Meinungsverschiedenheit und endete mit den Worten: „Du hast mir gar nichts zu sagen. Du bist nicht mein Vater!“ Ein Schock für meine Klientin, deren Traumvorstellung einer modernen und populären Familienkonstellation ins Wanken geriet.

Das Zusammenleben in einer Patchworkfamilie ist tatsächlich eine schwierige Situation für alle Betroffenen und ohne Frage eine große Belastung für die neue Liebe. Viele solcher Beziehungen gehen wieder auseinander weil die Hürden zu hoch sind. Doch was steckt hinter der Vorstellung, dass eifersüchtige Kinder keinen neuen Menschen an der Seite von Mama oder Papa dulden?

Das Kinderherz und der Sündenbock

Die Ursachen des „Aufmotzens“ sind vielschichtig. Wenn zum Beispiel Mama oder Papa mit dem Kind mehrere Jahre nach der Trennung alleine gelebt hat, bildet sich zwischen ihnen ein festes Gefüge. Ein neuer Partner wird zum Eindringling.

Ist die Trennung noch frisch, wird der neue Partner als Ursache für die Scheidung gesehen. Eine junge Klientin erzählte mir, dass sie sich von der neuen Lebensgefährtin ihres Vaters regelrecht bedroht fühlte. Für die Kinder ist es dann egal, dass die Beziehung vorher bereits kaputt war. Sie brauchen ihren Sündenbock.

Als systemischer Familien-Coach weiß ich, wie wichtig es ist, das Herz des Kindes zu erreichen. Das ist nicht leicht und braucht sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Erst wenn die Kinder spüren, dass ihnen der Elternteil nicht weggenommen wird, hat der vermeintliche Sündenbock eine Chance.

Der Ex-Partner – loyal oder manipulativ?

Doch nicht immer gehen die Sabotage-Akte von den Kindern aus. Im Gegenteil. Sie glauben oft, einen Elternteil zu verraten, wenn sie sich mit dem neuen Partner gut verstehen. Daraus wiederum entsteht Angst, nicht mehr geliebt zu werden. Das Gefühlschaos beginnt.

Nicht selten nehmen auch die Eltern gehörigen Einfluss auf ihre Kinder. Sie benutzen sie regelrecht indem sie abwertende Bemerkungen machen und ausfragen. Das Kind ist mit seinen Gefühlen hin und hergerissen. Es entscheidet sich, den neuen Mann oder die neue Frau lieber nicht zu akzeptieren.

So kann „Patchwork“ gelingen

Fast alle Kinder wünschen sich eine intakte Familie, auch wenn das nicht der leibliche Elternteil ist. Das ist die große Chance einer Patchworkfamilie, denn so darf ein Elternteil bei Startschwierigkeiten an seinem Wunsch nach einer neuen Beziehung festhalten. Wenn die neue Partnerschaft harmonisch ist, kann nach einer gewissen Zeit wieder Ruhe einkehren.

Mein Tipp: Viel Verständnis und Geduld mitbringen. Außerdem sollte sich der Partner mit Kritik und Vorwürfen zurückhalten und Bedenken mit dem jeweiligen Elternteil unter vier Augen klären. Wichtig ist zu akzeptieren, dass Elternteile nicht zu ersetzen sind und die Erzieherrolle bei den leiblichen Eltern bleiben muss. Alles andere führt zu hartnäckigem Widerstand und die betroffenen Kinder werden kein Vertrauen aufbauen.

Sie leben auch in einer Patchworkfamilie? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ihr freue mich auf Ihre Post.

Herzliche Grüße

Ihre Birgit Natale-Weber

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