Rot oder blau – welche Pille schlucken Sie?
Alles gut bei Euch? – Klar, läuft bestens! Kein Zweifel! Anja und Peter, gute Bekannte von uns, sind seit 12 Jahren verheiratet. Beide haben einen verantwortungsvollen Job, sind kinderlos, genießen ihr Leben. Der Altersunterschied von 15 Jahren scheint kein Thema für die beiden zu sein.
Wir fanden das immer ziemlich cool: An den Wochenenden erhielten wir Whatsapp-Grüße aus Rom, Paris oder London. In ihren Urlauben jetteten die beiden um die halbe Welt. Und wenn Sie mal zu Hause waren, trafen sie sich unter der Woche abends zum Dinner in den hippsten Restaurants der Stadt. Ziemlich süßes Leben!
„Wir passen einfach super zusammen und haben Glück gehabt“, meinte Peter öfter. Ihre Beziehung lief sozusagen auf Autopilot. Alles super.
Das ging exakt so lange gut, bis es eben nicht mehr funktionierte…
Auf einem Auge blind
Anfang des Jahres platzte dann die Blase. Er gestand ihr, dass er einen Job seiner Firma im Ausland angenommen hat. Der Tapetenwechsel wäre sicherlich gut für ihre Beziehung
Zunächst verstand Anja nicht gleich, was Peter damit meinte und bot ihm spontan an, mitzukommen. Erst nachdem er sich in Widersprüchen flüchtete, dämmerte es ihr. Er wollte die Trennung. Bei näherem Hinsehen offenbarte sich, dass die Partnerschaft oberflächlich anstatt glücklich war. Mehr Schein, als Sein. Wirklich zu sagen, hatten die beiden sich nichts mehr.
Würde man wie in der Schule ein Zeugnis vergeben, wäre es ein Desaster: Bedürfnisanalyse – mangelhaft. Konfliktbereitschaft – ungenügend. Echtes Interesse und Aufmerksamkeit – gering ausgeprägt.
Ihr gemeinsames Auftreten war immer nur ein Schauspiel mit dem Zweck, sich selbst etwas vorzumachen, um von der Wahrheit abzulenken. Hinter den Kulissen jedoch gähnte der Abgrund! Auf die Frage: „Das müsst Ihr doch bemerkt haben, zumindest ansatzweise?“, antwortete sie unter Tränen: „Ich glaube, wir waren auf einem Auge blind.“
Fake oder Wahrheit?
Warum erzähle ich Ihnen das? Es hat etwas mit der roten und der blauen Pille zu tun. Anja und Peter entschieden sich aus Bequemlichkeit für die blaue Pille. Bis ihnen zwangsweise die rote, bittere Pille verpasst wurde.
Rote Pille, blaue Pille? Fake oder Wahrheit? Sie haben ein Fragezeichen im Kopf? Dann haben Sie vermutlich den Film Matrix noch nicht gesehen.
Im Kultfilm Matrix gibt es eine Schlüsselszene: Der rätselhafte Morpheus (gespielt von Laurence Fishburne) stellt Keanu Reeves als Neo vor die Wahl: Roter oder blaue Pille?
Schluckt er die blaue Pille, kehrt er zurück in die heile Traumwelt, die die Matrix für ihn geschaffen hat. Die rote Pille hingegen wird ihm die Augen öffnen für die Welt, wie sie tatsächlich ist.
Neo wählt die Rote … und erkennt, dass er in einer gefälschten Realität gelebt hat. Alles, was er sah, war eine Illusion, die geschaffen wurde, um ihn zu blenden, damit er die Wahrheit nicht erkennt.
Im übertragenen Sinn haben wir alle jeden Tag die Wahl zwischen roten und blauen Pillen. Entscheiden wir uns für die Rote, wachen wir auf, werden deillusioniert. Die ungeschminkte Realität kommt zum Vorschein, das echte Leben hinter der Scheinwelt. Wir haben die bittere Pille geschluckt – eine bekannte Redensart.
Genau aus diesem Grund entscheiden sich viele von uns für die blaue Pille. Sie verschließt die Augen vor dem, was wir nicht sehen wollen und macht uns die Welt, wie sie uns gefällt. Ich nenne es auch gerne das „Pippi-Langstrumpf-Syndrom“.
Blau – die Pille, die in die Sackgasse führt
Natürlich ist die blaue Pille der bequemere Weg, keine Frage. Aber sie ist auch eine Sackgasse. Zunächst verwerfen wir beunruhigende Entwicklungen und rationalisieren sie als einmalige Ausnahme. Häufen sie sich allerdings, fangen wir sie mit defensiven Maßnahmen widerwillig auf, bis wir uns schlussendlich doch damit auseinandersetzen müssen – was allerdings häufig nicht geschieht.
Wie am Beispiel unserer Bekannten deutlich wird, ist die Überraschung über die dramatische Realität umso größer, je weiter wir uns von der Realität entfernen. Die „Ich-mach-mir-die-Welt-wie-sie-mir-gefällt“ Strategie fällt früher oder später umso drastischer zusammen. Der Schlag auf den Boden der Realität wird umso härter.
Okay. Dann nehmen wir eben ab und zu freiwillig die rote Pille. Was bedeutet das konkret? Welchen Wirkstoff finden wir, der uns unangenehme, anstrengende oder herausfordernde Wirklichkeiten präsentiert?
Der Wirkstoff heißt Zweifel!
Lebe, lerne, liebe!
Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman sagt: „Wir müssen unbedingt Raum für Zweifel lassen, sonst gibt es keinen Fortschritt, kein Dazulernen. Man kann nichts Neues herausfinden, wenn man nicht vorher eine Frage gestellt hat. Und um zu fragen bedarf es des Zweifels“.
Deshalb: Zweifeln Sie regelmäßig! Denn es bedeutet einfach nur, zu fragen. Kritisches nachhaken, am Ist-Zustand zu rütteln, damit neue Ideen entstehen können. Natürlich ist das unbequem und es kann und wird wahrscheinlich auch die heile Welt auf den Kopf stellen. Sie müssen dazu raus aus der Harmonie, rein in konstruktive Diskussionen. Aber genau das ist der Grund, warum so viele Menschen dieser Vorgehensweise aus dem Weg gehen.
Wer sich in seiner Partnerschaft weiterentwickeln und in Bewegung bleiben möchte, dem empfehle ich, das Zweifeln regelmäßig zu üben. Sie werden sehen, wieviel Freiheit und Gelassenheit diese Übungen bringen. Sie sind unsicher? Gerne unterstütze ich Sie beim Einzelcoaching oder in der Paarberatung.
Unsere Bekannten haben mittlerweile die rote Pille geschluckt. Leider zu spät, denn die Interessen und Bedürfnisse haben sich in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Er ist ins Ausland gegangen und sie tröstet sich mit einer Katze.
Ein sehr interessantes Thema, finden Sie nicht auch? Lassen Sie uns daher in Kontakt bleiben. Schreiben Sie mir Ihre Erfahrungen dazu. Hinterlassen Sie ein Kommentar auf dieser Seite oder schreiben Sie mir eine persönliche Email an birgit(Replace this parenthesis with the @ sign)natale-weber.de. Ich freue mich auf Sie!
Und denken Sie daran: Sie haben jeden Tag eine Wahl, die genutzt werden will!
Alles Gute – wie auch immer Sie sich entscheiden.
Herzlichst
Ihre
Birgit Natale-Weber