Ja ich will – Wie drei unscheinbare Wörter unser Leben beeinflussen
Ja, ich will
Der schicke Hochzeitswagen steht geschmückt vor der Kirche. Das Kirchentor öffnet sich und das hübsche Brautpaar wird mit stürmischem Applaus und allerhand Konfetti in die gemeinsame Zukunft gejubelt. Als ich vor über dreißig Jahren aus der Kirche kam, wackelten mir die Beine vor Aufregung. Ich war jung, gerade mal zwanzig.
Ja, ich will
einen Partner, verständnisvoll und witzig, jemand, der mich zum Lachen bringt. Finanziell unabhängig, damit er mir nicht auf der Tasche liegt. Älter als ich, intelligent, kulturell interessiert. Sportlich, durchtrainiert, ohne Bauch. Vielleicht eine Glatze, das macht sexy. Aber er sollte noch keine Kinder haben. Die will ich mit ihm, sagt die Achtundzwanzigjährige.
Ja, ich will
auch einen Partner, aber später. Jetzt will ich in meinem Unternehmen erst einmal meine beruflichen Ziele verfolgen. Ich spreche fließend englisch und spanisch. Seit meinem Studium bin ich jetzt in einem namhaften Pharmakonzern und steige langsam die Karriereleiter hoch. Da habe ich keine Zeit für Kind und Rind. Das ist wohl wahr, denke ich.
Ja, ich will
eine Frau, mit der ich eine Familie gründen kann. Ein kleines Häuschen, zwei Kinder und einen Hund. Sie soll höchstens halbtags arbeiten. So hat sie genügend Zeit für die Familie. Als Vertriebsmanager kann ich gut für meine Familie sorgen. Wenn ich nach Geschäftsreisen nachhause komme, ist es mir wichtig, dass ich nicht alleine bin. Denn Alleine sein findet mein Klient schrecklich.
Ja, ich will
glückliche Kinder, die sich frei entfalten können. Ihnen soll es an nichts fehlen. Wir gehen beide arbeiten und können ihnen dadurch vieles ermöglichen. Kinder sind teuer, aber dass muss man in Kauf nehmen, wenn aus ihnen etwas werden soll. Dass ihre Tochter Essstörungen hat, sei heutzutage, wenn man die Medien verfolgt, völlig normal, entschuldigt sich die Mutter bei mir.
Ja, ich will
körperlich fit und gesund bleiben. Ich verstehe die vielen Menschen nicht, die sich hängen lassen. Sport und gesunde Ernährung ist wichtig, ich will im Alter mithalten können. Jeden Morgen joggen und viermal in der Woche Rad fahren. Das ist der Plan. Meine zweite Ehefrau muss Verständnis dafür haben. Schließlich tut es ihr auch gut. Der 45-jährige Mann schaut seine entrüstete Frau an, die verständnislos mit dem Kopf schüttelt.
Ja, ich will
meine Ruhe. Nicht ständig der „Depp vom Dienst“ sein. Jahrelang habe ich die Familie am Laufen gehalten. Mir ist egal, mit welchen Frauen sich mein Mann auf Geschäftsreisen trifft. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Glück ist relativ und eine Scheidung teuer und umständlich, resümiert meine Freundin Beate, 55 Jahre.
Ja, ich will
alleine bleiben. Da muss ich niemand Rechenschaft tragen. Wo kommst Du jetzt her? Mit wem hast Du Dich getroffen? Verpflichtungen eingehen, war nie meine Stärke. Ich fühle mich dann immer so vereinnahmt. Ob das im Alter anders wird? Da mache ich mir heute keine Gedanken drüber. Es wird sich bis dahin schon jemand finden. Norbert ist Ende Vierzig und ein guter Freund von mir.
Ja, ich will
mit ihm durch dick und dünn gehen, doch seine Krankheit fordert unsere Ehe heraus. Ich flüchte mich in tausend andere Sachen und ertappe mich dabei, ihm aus dem Weg zu gehen. Körperliche Nähe lasse ich keine zu, aber ich spüre, wie sehr sie ihm fehlt. Der Arzt sagt, ich soll stark sein, doch in Wirklichkeit bin ich hilflos. Die ehrlichen Worte von Christa, 49 Jahre, bewegen mich sehr.
Ja, ich will
noch immer mit Deinem Opa, dem störrischen alten Esel, zusammen sein. Ihm Trost spenden, seit es gesundheitlich nicht mehr so gut läuft. Ihn füttern, waschen und zu Bett bringen, weil er es alleine nicht mehr schafft. Und trotzdem mir anhören, dass er das alles auch alleine schafft. Wir waren gemeinsam jung und wir werden gemeinsam alt, sagt sie und drückt mich ganz fest.
Ja, ich wollte
so vieles in meinem Leben. Vieles habe ich bekommen, Einiges aber auch nicht. Zwischen all dem „wollen“ stand immer eine Handlung: die Entscheidung. Am Ende meines Lebens kann ich sagen, viele Entscheidungen getroffen zu haben. Gute, aber auch weniger Gute.
Die beste Entscheidung jedoch war, den manchmal unwegsamen Weg zusammen mit deiner Großmutter zu gehen. In ihren Armen den letzten Atemzug zu machen: Ja, das will ich!
Ja, ich will
sind nur drei kurze Wörter, die unser ganzes Leben füllen. Jeder von uns verbindet mit ihnen eine andere Wertigkeit. Sie sind Bekenntnisse unserer eigenen Lebensauffassung. Sie haben nichts mit Gelübden zu tun. Sie sind unser Stück Freiheit und deshalb wichtig.
Gehen Sie achtsam damit um. Verpulvern Sie ihr „Ja, ich will“ nicht wahllos. Seien Sie sich im Klaren darüber, dass Sie mit jedem „Ja, ich will“ eine Entscheidung treffen. Und seien Sie ehrlich, wenn daraus – weshalb auch immer – ein „Nein, ich will nicht mehr“ wird. Auch das ist legitim!
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Herzlichst
Ihre Birgit Natale-Weber