Erziehungsberatung: Wenn Kinder flügge werden
Was passiert, wenn unsere Kinder flügge werden und von zu Hause ausziehen? Ist das nicht ein Grund zur Freude? Schließlich beweisen sie uns damit ihre Selbstständigkeit. Doch anstatt stolz zu sein, überwiegt oft die Trauer über den Auszug und die Angst vor einer neuen Lebensphase. Nicht selten tauchen plötzlich Eheprobleme auf.
Hilfe, wohin mit meiner Zeit? Eltern bleiben oft ratlos zurück
Kinder geben uns das Gefühl, gebraucht zu werden. Insbesondere Mütter, die hauptsächlich „Vollzeit-Mama“ waren, trifft die neue Situation besonders hart. Kommen in dieser Phase noch andere außergewöhnliche Belastungen hinzu besteht nicht selten die Gefahr einer Depression.
Sind die Kinder erst einmal weg, bleiben die Eltern oft ratlos zurück: 20 Jahre haben sie geschuftet, damit der Nachwuchs auf eigenen Beinen stehen kann. Und jetzt, wo die Früchte der Arbeit geerntet werden können, wissen sie nicht mehr weiter. Kein Freiheitsgefühl, sondern tiefe Trauer ist das Ergebnis.
Besonders Frauen haben Angst vor diesem neuen Lebensabschnitt. Sie lieben ihre Mutterrolle. Der anstehende Rollenwechsel zur geliebten Ehefrau macht ihnen Angst. Experten sprechen vom „Empty-Nest-Syndrom (Leeres-Nest-Syndrom)“, eine ernsthafte Erkrankung und Vorläufer eines Abhängigkeitssyndroms.
Auch die schmerzlichste Stunde hat nur 60 Minuten
Voller Stolz erzählen mir Frauen vom gemeinsamen Shopping Erlebnis mit ihren Töchtern. Dass sie ein super Verhältnis haben, sich alles erzählen können. „Meine Tochter und ich sind dicke Freundinnen. Wir erzählen uns alles.“ berichten sie mir ganz stolz. Aber Hand auf’s Herz: Fanden Sie es damals als Jugendliche toll, Ihrer Mutter alles zu erzählen?
Mütter sollten nicht die besten Freundinnen ihrer Töchter sein wollen. Sondern genau das, was sie nun mal sind: MÜTTER! Aus Gesprächen mit den Töchtern weiß ich, wie belastend dieser verunglückte Rollentausch für die ganze Familie sein kann. Doch sie trauen sich nicht, ihrer Mutter zu sagen, dass es ihnen zu viel ist.
Loslassen heißt es jetzt. Wussten Sie, dass Mutter und Kind sich im Leben zweimal abnabeln? Das erste Mal bei der Geburt und das zweite Mal, wenn sie aus dem Haus gehen! Stimmt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als mein Sohn mit vollbepacktem Auto aus unserer Hofeinfahrt fuhr.
Mein Tipp: Experten warnen davor, die Situation, die durch den Auszug der Kinder entsteht, zu unterschätzen. Nehmen Sie sich auf jeden Fall Zeit, um darüber nachzudenken, was es für sie bedeutet, dass ihr Kind auszieht. Und denken Sie immer daran: Auch die schmerzlichste Stunde hat nur 60 Minuten!
Pimp your life
Nehmen Sie Ihr Leben wieder in die Hand, denn in der Empty-Nest-Phase ist die Scheidungsrate hoch. Eltern sind schließlich nicht nur Eltern – sie sind auch ein Paar mit eigenen Bedürfnissen.
Doch genau das fällt vielen Eltern schwer. In manchen Familien entsteht durch den Auszug des Kindes regelrecht ein Vakuum, das die Eltern neu befüllen müssen. D.h. sie müssen ihr ganzes Leben neu strukturieren. Gerade jetzt tauchen Eheprobleme auf, die gar nicht sein müssen.
In meinen Paarberatungen ermutige ich immer wieder dazu, gemeinsam einen Beziehungscheck zu machen um herauszufinden, was ansteht. Das Ergebnis lässt sich sehen: Viele sammeln super Ideen und beginnen sich als Paar wieder neu zu entdecken. Sie freuen sich über die neuen Ziele und haben wieder Spaß.
Gemeinsam ins Kino gehen, ein romantisches Dinner zu zweit oder spontan einen Städteausflug machen. All das kann wieder problemlos möglich sein – wenn die Eltern es wollen. Das Haus renovieren, den Garten umgraben, endlich den Motorradführerschein nachholen oder tausend andere Sachen.
Bleiben Sie nicht allein mit ihrem „vermeintlichen“ Schicksal. Schauen Sie nicht hilflos drein, während Ihre Kinder die Koffer packen. Lernen Sie von ihnen, denn sie nutzen die vielen Möglichkeiten des Lebens, um auch die für sie neuen Situationen zu meistern.
Jetzt ist endlich Zeit, die lang verschüttete Kreativität neu zu entdecken. Und glauben Sie mir: Die eigenen Aquarelle als Geburtstagsgeschenk sind gar nicht so altmodisch, wie viele denken.
„Ruf mich an!“ – Warum Kontakte wichtig ist
Viele Eltern bemerken erst jetzt, wie viele Kontakte erst über die Kinder entstanden sind. Wie wäre es also mit dem Auffrischen alter Kontakte. Einfach anrufen und „Hallo“ sagen. Vertrödeln Sie also keine Zeit vorm Fernsehen, gehen Sie wieder unter Menschen.
Auch das Pflegen sozialer Netzwerke kann Spaß machen. Neue Menschen kennen lernen, Erfahrungen austauschen und sich vielleicht sogar zu einem Kaffee treffen. Alles ist möglich. Probieren Sie es aus. Es lohnt sich.
Heute bleibt die Küche kalt
Ich liebe es, Mutter zu sein. Heute noch. Zeit für mich und meinen Partner zu haben. Ist es nicht herrlich, eine saubere Küche vorzufinden weil keine „kleinen Monster“ alles stehen und liegen lassen? Nackt durch die Wohnung zu rennen und hemmungslosen Sex zu haben? Und das alles, ohne peinlich sein zu müssen oder Angst „vor dem Erwischt werden“ zu haben.
Heute blicke ich auf wundervolle Jahre mit meiner kleinen Familie zurück. Es war eine tolle Zeit, meinen Sohn heranwachsen zu sehen. Und es gibt sie, die Tage, an denen ich meinen Sohn besonders vermisse. Umso mehr freue ich mich auf unser nächstes Wiedersehen.
Wenn Sie bemerken, dass auch Sie sich unwohl bei dem Gedanken des Loslassens fühlen, dann genügt manchmal schon ein kleiner Impuls für mehr Leichtigkeit. Es muss ja nicht immer gleich eine Erziehungsberatung sein.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Auszug Ihrer Kinder gemacht? Wie haben Sie und Ihr Partner die neue Situation gemeistert?
Schreiben Sie mir. Ich freue mich auf Ihre Erlebnisse und beantworte gerne Ihre Fragen in einem persönlichen Email.
Glückliche Grüße
Ihre Birgit Natale-Weber
Interessante Links passend zum Thema:
http://www.dasmagazin.de/titelthema-loslassen-wenn-kinder-erwachsen-werden/
https://www.power-oldie.com/sonstiges/soziale-netzwerke-fuer-die-generation-40-plus/
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[…] Männer sind Männer und wollen auch so verstanden werden. Wir Frauen sollten aufhören, sie zu weiblichen Wesen machen zu wollen. Diese Versuche sind genauso sinnlos, wie der Versuch, die beste Freundin der Tochter werden zu wollen (s. mein Artikel „Wenn Kinder flügge werden“). […]